Atelierbesuche in der Metropolregion: Max Werner
Max Werner studiert seit drei Jahren Bildhauerei an der Staatliche Akademie der Bildenden Künste Karlsruhe. ARTIMA hat den jungen Nachwuchsbildhauer dort besucht.
ARTIMA wurde auf den jungen Nachwuchs-Bildhauer bei einem Besuch in der temporären Karlsruher Galerie OH aufmerksam. Die Galerie zeigte bei ihrem Opening Anfang März unter anderem Bronzen, Wandarbeiten und Zeichnungen von Max B. Werner. Um zu sehen, wie und wo Max Werner diese Stücke erschaffen hat, haben wir ihn in seinen Arbeitsräumen an der Karlsruher Akademie der Bildenden Künste besucht.
Die bildhauerische Qualität von Werners Arbeiten fällt sofort ins Auge. Die mit sichtbaren Werksspuren figürlich angelegten Kompositionen sind kraftvoll und stark im Ausdruck. Sein Umgang mit Materialität und seine Entwicklungsfreude wirken frei und unerschrocken. Die Werke ziehen in den Bann, denn gerade die plastischen Arbeiten wirken wie von einem langen, beschwerlichen Leben gezeichnet. Das ist umso erstaunlicher, als der junge Bildhauer erst 23 Jahre alt ist und noch mitten im Studium steckt. Max Werner ist so etwas wie ein Rohdiamant – auch in der Art wie er der Kunst generell begegnet.
„Ich wusste eigentlich intuitiv schon immer, was ich beruflich machen wollte, ich konnte den Inhalt immer beschreiben, fand aber keinen Begriff dafür, bis ich in der Mannheimer Kunsthalle zum ersten Mal den „Großen Fisch“ von Brancusi sah. Dort war es auf einmal ganz klar. Ich sah den Fisch und wusste unmittelbar, so etwas und nichts anderes will ich machen“, beschreibt Werner, wie er den Weg in die Bildhauerei fand.
Werner kommt aus keinem kunstaffinen Elternhaus und auch in seinem Wohnort – ein kleiner Ort bei Karlsruhe – gab es keine Berührung mit Kunst oder Kunstschaffenden. Erst an der Schule hatte er im Kunstunterricht seine ersten Begegnungen mit dem Genre Bildhauerei. Das Schlüsselerlebnis in der Mannheimer Kunsthalle führte ihn 2019 dann an die Akademie der Bildenden Künste in Karlsruhe, wo er bei Prof. Harald Klingelhöller und später bei Prof. John Bock mit dem Studium begann.
„Die Zeit mit Prof. Klingelhöller war für mich eine überaus anregende. Überhaupt ist die Karlsruher Akademie mit ihren großartigen Atelierräumen und hervorragenden Werkstätten und Werkstattleitern für mich ein wunderbarer Ort Bildhauerei zu machen, mich entwickeln und mich über künstlerische Fragen und Positionen austauschen zu können“, so Werner. In seiner Arbeit beschäftigt Werner sich mit Ur-bildhauerischen Fragen. „Ich kam sehr schnell weg von dem Gedanken einer Schönheit in akademischem Sinne." Hinter der Schönheit liegt die Wahrheit, dieses sinngemäße Zitat von Schiller, sagt viel über Max Werners Idee von Bildhauerei aus.
„Die Schönheit ist nur der Köder für etwas, das weiter geht. Ich denke, die Bildhauerei geht in dieser Form über das Denken hinaus. Und natürlich ist es nur über die Wege des Denkens möglich, mit den verwendeten Werkstoffen Bildhauerei zu machen. Und wenn diese dann intuitiv entsteht, dann geht es weiter“, so Werner.
Wenn man das hört, versteht man leichter, was man sieht: Asymmetrisch deformierte Gesichtszüge, torsierte Leiber und unruhige Oberflächen. Bei den Relief- Arbeiten wirken die Körper so, als würden sie sich aus dem Inneren der Platte herausdrücken. Die Reliefwand ist damit nicht bloßer Hintergrund, auf den eine Figur aufgesetzt wird, sondern wird vielmehr zu etwas aus dem etwas entsteht. Das ist gut zu sehen bei dem Triptychon aus Gips, Styropor und Holzwolle, das Werner mit Schellack überzogen hat.
Die Ockertöne unterstützen die Wirkung der Ausstülpung der körperlichen Wölbungen. Dass den Bildhauer Wölbungen beschäftigen entspricht der Natur seines Wirkens – ist aber auch deutlich in seinen expressiven, figürlichen Zeichnungen und Skizzen zu sehen. Bauch, Brüste, Oberschenkel, Gesäß – alles was rund und weich sein kann, hebt er hervor. Zum Zeichnen kam er spät, erst als er begann sich intensiv mit der Bildhauerei auseinanderzusetzen.
„Zeichnen dient in erster Linie dazu, eine intuitive, flüchtige Idee oder Vorstellung, die sich sehr schnell wieder auflösen kann, zügig festzuhalten und von dort aus weiterzugehen. Ich fertige auch viele, eher kleine, schnelle Tonskizzen oder Gipsskizzen an, die für mich einen ähnlichen Charakter wie Zeichnungen haben. Das schnelle, intuitive, plastische Arbeiten ist für mich der Weg zu einem Ergebnis zu kommen – sowohl in der Zeichnung als auch in der Plastik, wobei die fertige Arbeit äußerlich dann oft kaum noch etwas mit der ersten Zeichnung oder festgehaltenen Idee zu tun hat“, erläutert Werner. Eben diese Veränderungen der Plastik während ihres Entstehungsprozesses machen einen wesentlichen Zug seines Arbeitens aus.
„Meistens arbeite ich an mehreren Stücken gleichzeitig. Der Rhythmus, das Tempo spielen für mich zeitlich als auch räumlich, sowohl während des Arbeitens als auch in der fertigen Arbeit, eine sehr große Rolle.“
Angst im Umgang mit den verschiedensten Materialien hat Werner nicht – im Gegenteil, hinter seinem unbefangenen Umgang mit Stoffen wie Gips, Ton, Holz, Stein, Holzwolle, Styropor, Stahl, Bronze, Blei, Aluminium steckt trotz seines jungen Alters handwerkliche Erfahrungen. Von seinem aus dem Handwerk kommenden Vater hat er viel gelernt und er jobbt seit seinem 15. Lebensjahr in diversen Handwerksbetrieben – darunter eine Zimmerei und Kunstschmiede. Dass ihn die Eigenschaften der Materialien und wie diese sich im Bearbeitungsprozess verhalten beschäftigen, ist in seinen Arbeiten deutlich sichtbar.
Die Bronzen sind in der Regel natürlich und roh gehalten. Werner sucht dabei Wege die Art, wie das flüssige Metall in die Gussform strömt, auf eine gewisse Weise so zu beeinflussen, dass eine rohe und natürliche Gussoberfläche entsteht, die eine beinahe malerisch anmutende Oberfläche hat. Dazu trägt auch bei, dass die Spuren sichtbar bleiben, wo der Künstler Material hinzugefügt oder eingedrückt hat. So entwickelt die Bronze eine Vielfarbigkeit, die ihre Plastizität weiter verstärkt. Der auf einer Eisenplatte liegende Kopf aus Blei, der aus zwei Teilen besteht, wirkt dagegen aufgrund der Stofflichkeit des Bleis beinahe zweidimensional. Mit der direkten Platzierung auf dem Boden, unterstreicht Werner außerdem die Schwere des Materials, wohingegen die mit Schellack überzogenen Gipsarbeiten den Körperformen eine beinahe selbstverständliche Leichtigkeit geben. Beides – Schwere und Leichtigkeit – verbindet er zum Beispiel auch in einer Bleiarbeit: Ein gr0ßer Keil aus Bleiplatten, zu dessen Füßen eine Bronzehand liegt.
„Mich reizen diese Widersprüche, die die verschiedenen Materialien auch in ihrer Beziehung von Sockel und Plastik erzeugen können“, so Werner. Am Ende des Besuchs möchten wir noch wissen, welche zeitgenössischen Bildhauer ihn denn besonders beschäftigen, ob es Vorbilder gibt. Er lacht, „selbstverständlich, es ist mir wichtig mich mit den zeitgenössischen Künstlern und mit der Kunstgeschichte zu beschäftigen und aus dem heraus weiter zu gehen, etwas Neues zu machen. Ich mag zum Beispiel die Arbeiten eines Anthony Gormley, Richard Serra und William Tucker. Aber auch Wilhelm Lehmbruck, Franz Bernhard, Hans Josephsohn, Medardo Rosso und Mariono Marini waren großartige Bildhauer.“
Interview und Text von Michaela Frieß
kunstblog-mannheim.de