Im Atelier von Stephanie Pech - Part 1
Hybrid Moves
Wir haben die Malerin Stephanie Pech in ihrem Atelier in Bonn besucht. Aktuell hat sie drei Ausstellungen: In der Meno Parkas Gallery Kaunas (Litauen) nimmt sie mit dem Westdeutschen Künstlerbund an der Ausstellung “Groll und Heilung“ teil; in der Galerie Tammen, Berlin, wird sie in “Figure it Out“ neue und schon bestehende Gemälde gemeinsam mit Skulpturen der Plastikerin Sonja Edle von Hoeßle zeigen und im Kunstverein KunstHaus Potsdam richtet sie ihre Soloausstellung “Hybrid Moves“ mit einer monumentalen Wand-Leinwandarbeit aus. Wir sprachen mit Stephanie Pech über ihre Arbeiten und was sie gerade zu dem Ausstellungsprojekt „Hybrid Moves“ bewegte.
Frau Pech, Sie sind bekannt für Ihre meist großformatigen Gemälde, die einen ganz eigenen Kosmos auf die Leinwand bringen. Wie in Stillleben treffen in pulsierenden Farbräumen Alltagsgegenstände wie Bügeleisen, Kabel, Abflusssiebe auf Frösche oder Meerestier wie Krabben, Tintenfische, schießen überdimensionierte Pflanzen und Blumen durch das Bild, ebenso menschliche Körperabdrücke, platzen Spiegeleier, laufen Krabben über Rasierklingen und vieles mehr. Die Bildelemente, oft hyperrealistische herausgearbeitet, durchdringen, überlagern, verbinden sich zu eigenartigen, geradezu surrealen Bildwelten, jenseits der Realität, die irritieren und sich nicht einfach erschließen.
Mich beschäftigen die Koexistenz und die Interaktion zwischen den konträren Welten des Menschen und der Natur. Diese sind doch in unserer technisierten Welt zunehmend voneinander getrennt und einander entfremdet. Ich stelle mir die Frage, wie sind wir mit unserer nichtmenschlichen Welt verbunden? In meinen Bildern treffen diese konträren Welten in der Koexistenz und Interaktion zwischen den Bildmotiven aufeinander. Durch Überlagerungen und Verschmelzung der Bildelemente entstehen Verfremdungen, die als kalkulierte Kompositionen das Auflösen der festen Grenzen zwischen unterschiedlichen Identitäten, Körpern, Realitäten thematisieren. Sie können als Metaphern der menschlichen Existenz gedeutet werden.
Sie bezeichnen sich selbst als eine figurative Malerin, die vom Stillleben herkommt
Mich hat schon von klein auf das genaue Beobachten der Natur und der Dinge interessiert, und aus einer künstlerischen Familie kommend, ihre Erfassung und Erforschung durch die zeichnerische, malerische Umsetzung. So habe ich immer gegenständlich gemalt, auch wenn das früher, als die Abstraktion in der Kunst absolut vorherrschend war, belächelt wurde. Meine Bildideen speisen sich aus der Außenwelt, was ich erlebe, sehe, worüber ich lese, was ich denke und empfinde. Es ist dann ein assoziatives, oft spielerisches Vorgehen, indem ich verschiedene Bildideen miteinander verknüpfe - und das wird immer einen figurativen Aspekt beibehalten.
Stillleben - aber Ihre Bilder sind überhaupt nicht ruhig, sondern energiegeladen, voller Spannung und als Betrachter fragt man sich: was passiert jetzt gleich?
Ich würde sagen, dass ist einmal mein Naturell, das spielt ja auch immer in die Malerei mit hinein, zeigt sich auch im Duktus, der sich vom nervösen bis hin zu einem feinmalerischen Duktus bewegen kann.
Zum anderen ist es für mich wichtig, dass ich die Dinge so einfriere, wie in einem Filmstill; dass ich diesen kurzen Moment festhalte, das Zusammentreffen von mehreren Dingen, die aus konträren Welten zusammenprallen, obwohl sie sich eigentlich ausschließen. Dadurch ergibt sich diese Spannung, diese Energie, wie Sie sie beschreiben. Diesen fruchtbaren Augenblick einzufrieren, versuche ich in der Komposition auszutarieren.
Die Dinge und Bildelemente ordne ich so an, dass sie den Bildraum durchtrennen und durch die intensive Farbgebung, die enorme Vergrößerung und durch die Anordnung im Bild ein Eigenleben, eine physische Präsenz durch die Malerei bekommen.
Daher auch die Froschperspektive? Die Bilder finden wie auf einer Bühne statt, es wird etwas präsentiert, die Bildelemente wirken wie herangezoomt, in einem meistens nicht identifizierbaren Bildraum, kein “setting“, sondern ein Farbraum, in dem die Bildelemente zu treiben scheinen.
Genau, durch die Froschperspektive und das „Treiben“ in diesem Farbraum bekommen die Bildelemente eine größtmögliche Präsenz. Der Betrachter schaut von unten, begegnet dem Geschehen auf Augenhöhe, wird hineingesogen in diese Welt. Man weiß gar nicht genau, ist es jetzt noch diese menschliche Perspektive, von oben herab? Nein, sie ist es nicht, es kann ebenso die tierische oder auch die pflanzliche Perspektive sein. Durch diesen Perspektivwechsel nötige ich den Betrachter zur eigenen Anschauung.
Warum sind es in ihrem Werk immer wieder Meerestiere, Schalentiere, Tintenfische? Sie könnten sich auch anderweitig in der Vogel-, Tierwelt bewegen?
Meerestiere haben mich schon immer sehr interessiert. Das Ökosystem Meer und das Element Wasser sind von elementarer Bedeutung und diese Lebenswelt möchte ich in den Fokus des Betrachters rücken.
Ich beschäftige mich viel mit Stofflichkeiten und Texturen. Diese Konsistenzen von Wassertieren, das Glitschig, Glibberige fasziniert mich einfach; bei den Krebsen die harten, aber doch sehr opaken, glänzenden Schalen, das Exoskelett, das Aufplatzten, Aufblättern von Schalen, dann dieser Eiweißkern, das Changieren der Farbigkeit von einem bläulich-weiß zu den ganzen Rosatönen.
Bei näherer Beschäftigung mit den, uns durch die Nahrung so alltäglich gewordenen Meerestieren, bin ich immer wieder erstaunt über die komplexen Fähigkeiten, den Entwicklungsgrad und die Schönheit der Meeresbewohner. Zum Beispiel die schillernde Haut der Tintenfische, ihr ausgeprägtes Nervensystem und ihr Auge, welches ideal an den Lebensraum angepasst ist und sich in der Evolution analog zum menschlichen Auge entwickelt hat.
Wie nehmen wir diese Lebewesen wahr? Meist begegnen wir Krabben, Kraken und Fischen im abgekochten Zustand als Nahrungsmittel, weniger als Bewohner ihres Lebensraums. Ich habe mich schon immer gerne im Wasser, im Meer bewegt und daher kommt diese Faszination.
Das Bewusstmachen dieser sehr menschlichen Sichtweise soll dann, wie durch ein Brennglas geschaut, auf der Leinwand sichtbar werden. Wenn ich ein Säugetier oder einen Vogel nähme, wäre mir das schon wieder zu nahe am Menschen. So haben mich auch immer Regenwürmer begeistert, weit entfernt von der Existenz des Menschen, aber doch so unentbehrlich im Kreislauf der Natur.
Ein anders wichtiges Bildelement sind Pflanzen-, Blütenkörper. In einer hyperrealistischen Malweise, die bei den Magnolienblüten jedes Härchen der Blütenkapsel erkennen lassen, schießen sie oftmals regelrecht durchs Bild. In dem Bild “Tira mi su“ rankt eine überdimensionierte Narzisse über einer gebückt stehenden Frauengestalt, die von einem schlauchartigen Gebilde um ihren Nacken heruntergezogen zu werden scheint. Man weiß nicht, beschützt oder bedroht die Narzisse sie?
Ja, die Frau scheint eine schwere Bürde zu tragen, der Titel heißt ja übersetzt: „zieh mich hoch“ oder „richte mich auf!“. Die Schnittblume, eine Narzisse, parallel zur Figur gesetzt, hat etwas Organisches, Monströses und Bedrohliches. Im Kräfteverhältnis zwischen der Pflanze und der weibl. Figur scheint die Narzisse zu überwiegen.
Es ist immer wieder Thema in meinen Arbeiten, wie die Protagonisten zusammenfinden und was sie miteinander verhandeln: Was passiert jetzt gleich, zerstören sie sich gegenseitig, wer hat da jetzt die Oberhand - oder verschmelzen sie miteinander.
Die Pflanzen werden vorher von mir genau betrachtet, untersucht, seziert und skizziert. Oft sind es Magnolien, Osterglocken oder Amaryllen, die häufig etwas fleischlich Organisches haben. Sie können etwas Bedrohliches bekommen, durch die von mir gewählte Froschperspektive, die dann aus einer enormen Vergrößerung heraus resultieren. Diese Blüten existieren oft gar nicht so, weil ich sie collageartig aus den menschlichen Körperformen herauswachsen lasse und weiterentwickle. Daher muss ich immer genau schauen, was nehme ich von der einen Blüte was von der anderen; und obwohl sie einen gewissen Realismus haben existieren diese Pflanzen so in der Natur nicht.
Die Blumen hier also nicht das liebliche Element?
Nein, ganz und gar nicht, nicht die Lieblichkeit, die wir kennen, die als Schnittblumen im Supermarkt verfügbar sind. Die Blume wird in der Kunstgeschichte oft den Frauen, als weiblich, als etwas Schönes und Unschuldiges zugeordnet. Ich spiele gerne mit diesen Vorstellungen, kehre sie um, sodass die Lieblichkeit der Blumenstillleben eine andere, bedrohliche Dimension bekommt. Da sehe ich mich gerne in der Tradition von Georgia o`Keeffe. Blüten standen immer schon als Sinnbild für Transformation, geistiges Wachstum. Durch das Aufeinanderprallen mit anderen Bildelementen, wie Alltagsgegenstände aus dem menschlichen Umfeld, Körperfragmente, entstehen neue hybride Wesen im Wandel zwischen Wachstum und Verfall.
Im zweiten Part unseres ARTIMA Interviews haben wir mit Stehpanie u.a. über Anthropometrien und Ihre Austellung Hybrid Moves gesprochen. Hier geht es zum zweiten Part des Interviews.
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