Thorben Eggers im Interview
Von Japan inspiriert: über Kunst, digitale Prozesse und den Schutz seiner Werke.
Wir von ARTIMA kennen Thorben Eggers seit er 2023 Preisträger unseres Förderpreises für junge Künstler auf der art karlsruhe geworden ist und dort auf unserem Messestand seine Kunst gezeigt hat. Wir freuen uns sehr, dass sein Werk „Vorspiegelungen 1“ anschließend Teil unserer Unternehmenssammlung wurde. Schon zu dieser Zeit hatte sich abgezeichnet, dass seine Lebenspläne Richtung Japan gehen sollten und wir haben seitdem gespannt seine weitere künstlerische Entwicklung verfolgt.

Von einem ganz anderen Blickwickel aus haben sich nun unsere Wege erfreulicherweise wieder gekreuzt. Thorben Eggers verwaltet als Künstler seinen Bestand an Werken mit einem Verwaltungssystem, das wir als professionelle und sinnvolle Unterstützung zur Verwaltung von Sammlungen und Beständen kennengelernt haben. Vor allem im gewerblichen Kunst-Bereich, wo die Versicherung auf Basis pauschaler Versicherungssummen greift, ermöglicht ein professionelles Verwaltungssystem dem Künstler mit relativ wenig Aufwand den Überblick zu bewahren. Für dieses Interview hat uns – neben seiner künstlerischen Entwicklung – auch interessiert, welche Ansichten Thorben Eggers in Bezug auf Organisation, Verwaltung und (Ver)Sicherung seiner Werke, die ja sein Kapital sind, vertritt.
ARTIMA: Lieber Herr Eggers, vielen Dank, dass Sie sich die Zeit für uns nehmen. Momentan halten Sie sich in Tokyo auf. Können Sie uns einen Einblick in Ihre künstlerische Praxis geben? Was inspiriert Sie, und wie gehen Sie an die Schaffung eines neuen Werks heran?
In einer digitalisierten Welt sehne ich mich nach dem Handwerklichen und Individuellen, inspiriert von meiner analogen Kindheit. Obwohl mein Alltag digital ist, fasziniert mich das Menschliche, Fehlerhafee und Nicht-Reproduzierbare der Kunst. Ich sammle Bilder von Werbeanzeigen oder fotografiere selber und beginne dann mit digitalen Screenshots und fiktiven Ausstellungssimulationen in Photoshop zu arbeiten, um Kompositionen, Größenverhältnisse, Farbkonzepte und mögliche Kontextualisierungen vorab zu entwickeln. Diese digitalen Vorarbeiten führen zu Öl auf Leinwand gemalten Unikaten, die aktuell durch meinen Lebensmittelpunkt in Tokyo Zeitschriftenausschnitte, Landschaften oder japanische Kunstreferenzen zeigen. Meine Werke kombinieren surrealistische, digitale Eingriffe in Landschaften. So schaffe ich eine einzigartige visuelle Sprache, die die Schnittstellen zwischen digitaler und physischer Welt erkundet.
Wie wichtig ist der digitale Prozess für Sie im Vergleich zur physischen Malerei? Sehen Sie den digitalen Bereich als eine Erweiterung oder als einen völlig getrennten Aspekt Ihrer Kunst?
Ich sehe den digitalen Bereich als Erweiterung an – insbesondere in der kreativen Vorarbeit und Auseinandersetzung mit omnipräsenten Bildschirmoberflächen. Entweder in der Vorarbeit, das heißt beim Sammeln von Bildern, Nozizen und anderen Referenzen, die ich in digitalen Notizen speichere und später in Moodboards zusammenfüge. Daraus entstehen digitale Simulationen, bei denen einzelne Werke formal und inhaltlich aufeinander abgestimmt werden. Das anschließende Transformieren der Ideen in Form von -Öl auf Leinwand- ist für mich wiederum sehr wichtig, weil dieser Materialisierungsprozess von keiner digitalen Oberfläche übernommen werden kann. Eine Simulation ist sehr attraktiv, aber die letztendliche Arbeit ist körperlicher Natur.
Inwieweit beeinflusst die für Sie aktuell im Alltag erfahrbare japanische Kultur und Ästhetik Ihre Arbeit? Gibt es bestimmte Aspekte der japanischen Kunst oder Tradition, die Sie besonders ansprechen und in Ihre eigene Praxis integrieren?
Tatsächlich gibt es sehr viele Aspekte, die mich hier inspirieren, weil sie ganz anders sind als in Europa. Angefangen vom Essen, Wetter, Flora und Fauna, bis hin zur Architektur, der Umgang mit Licht oder nonverbale Kommunikation. Aber auch die japanische Sprache ist für mich sehr inspirierend, weil sie einen Einblick in die Denkmuster der Kultur liefert und ich sie dadurch ein bisschen besser verstehen kann. Im Japanischen gibt es beispielsweise drei verschiedene Alphabete, die gleichzeitig benutzt werden und allein das ist doch faszinierend. Daher betitle ich alle Bilder, die hier während meines Aufenthalts entstehen, mit japanischen Titeln. Zum Stichwort -Simulation- gibt es eine neue Bilderserie, an der ich gerade arbeite, die an den englischorientierten, japanischen Ausdruck „Shimyureshon“ angelehnt ist. Es zeigt gemalte, digitale Simulationen von aufgeschlagenen Zeitschriften, die aus persönlichen Fotos aus Japan bestehen. Diese sprachliche Annäherung des Begriffs, mit dem abgemalten Abbild in Kombination mit der Verarbeitung autobiografischer Erlebnisse – das finde ich wirklich spannend.
Was möchten Sie mit Ihren Werken ausdrücken, und welche Reaktionen erhoffen Sie sich von Ihrem Publikum?
Ich möchte mit meinen Arbeiten Emozionen und Reflexionen, aber auch Fragen hervorrufen. Mein Stil kombiniert traditionelle handwerkliche Techniken der Ölmalerei mit modernen Elementen, um eine Verbindung zwischen Vergangenheit und Gegenwart zu schaffen. Reaktionen zu antizipieren ist schwierig und vielleicht unmöglich, weil jedes Kunstwerk mit eigenen biografischen Erfahrungen abgeglichen wird und so niemals das Gleiche auslösen kann, wie bei mir. Jedes Bild erschafft daher einen eigenen Kodex, der unterschiedlich gelesen wird. Aber vielleicht ist Resonanz überhaupt schonmal ein guter Gradmesser im Gegensatz zu totaler Nichtbeachtung.
Als Künstler, der einzigartige Werke schafft, wie wichtig ist Ihnen die physische und digitale Absicherung Ihrer Kunstwerke? Gab es in Ihrer Laufbahn Momente, in denen einee Kunstversicherung entscheidend war?
Die Absicherung meiner Kunstwerke, sowohl physisch als auch digital, ist essenziell. Sowohl analog als auch digital habe ich bereits „Datenverluste“, wobei ich mich immer noch an jedes einzelne Bild im Entstehungsprozess erinnern kann – das zählt. Einmal hat eine Kunstversicherung eine wichtige Rolle gespielt, als ein Werk auf dem Transport beschädigt wurde – um genauer zu sein: durchgebohrt wurde! Diese Unterstützung gab mir Sicherheit und Vertrauen.
Welche Aspekte sind Ihrer Meinung nach am wichtigsten, wenn man sich als Künstler für eine Kunstversicherung entscheidet? Gibt es Tipps, die Sie anderen Künstlerinnen und Künstlern geben würden?
Es ist wichtig, eine Versicherung zu wählen, die sich auf Kunst spezialisiert hat. Künstler sollten darauf achten, dass die Versicherung sowohl die physische Integrität als auch den Marktwert abdeckt. Transparenz bei den Vertragsbedingungen ist entscheidend.
Wie organisieren Sie Ihre Projekte und Sammlungen? Welche Rolle spielt ein professionelles Kunstmanagement-System in Ihrem Arbeitsalltag?
Ein professionelles Kunstmanagement-System wie ArtButler ist für mich unerlässlich, seitdem ich selber vor 10 Jahren einen Blick hinter die Kulissen bekommen habe und für eine international tätige Galerie gearbeitet hab. Dort war das Programm täglich Brot. Jetzt hilft mir die Plattform, meine Werke, Ausstellungen und Angebote strukturiert zu verwalten, was Zeit spart und den Überblick erleichtert.
Wie beeinflussen technische Entwicklungen, wie etwa digitale Tools und Plattformen, die Arbeit zeitgenössischer Künstler? Sehen Sie darin mehr Chancen oder Herausforderungen?
Da ich durchweg eine optimistische Einstellung bezüglich der Zukunft habe, überwiegen bei mir in der täglichen Arbeit die Vorteile des Digitalen Arbeitens. Nichtsdestotrotz ist es auch für mich als junger Künstler nicht ganz einfach bei allen technischen Entwicklungen Stand zu halten. Eine gewisse technische Offenheit und Affinität ist da sicherlich von Vorteil, aber mir macht auch Spaß anderen von digitalen neuen Tools zu berichten und ihre Möglichkeiten aufzuzeigen.
Ihre Werke werden in verschiedenen Kontexten präsentiert. Wie wichtig ist es Ihnen, dass die Details zu Ihren Arbeiten – wie Herkunft, Ausstellungen oder Sammler – professionell dokumentiert sind?
Das ist zunächst für mich und die Galeriearbeit wichtig, wo welche Arbeiten unter welchen Bedingungen schon einmal gezeigt worden sind – und welche Ausstellungsmöglichkeiten gerade relevant sind. Aber auch im Nachgang ist schön zu wissen, wenn man die Ausstellungsbiografie einer jeden Arbeit aufweisen kann.
Welche Vorteile bietet Ihnen digitales Verwaltungsmanagement im Vergleich zu traditionellen Archivierungsmethoden? Haben Sie das Gefühl, dass die digitale Speicherung Ihnen hilft, Ihre Werke besser zu organisieren und zugänglich zu machen?
Im Vergleich zu traditionellen Methoden bietet ArtButler Effizienz und Flexibilität. Die digitale Speicherung in der Cloud erleichtert mir den Zugang zu meinen Werken, egal wo ich bin. Das ist insofern wichtig, weil ich viel am Reisen bin und nicht immer alles dabei habe – so kann ich auch mal auf dem Handy eine PDF als Werkliste übersenden. Am Anfang musste ich mich ehrlicherweise an die Kategorien und Inventarnummern usw. gewöhnen. Aber mittlerweile ist mein Archiv so weit gewachsen, dass sich die Unterteilungen auszahlen und ich mit einem Klick Arbeiten mit dem Tag „Landschaft“ herausfiltern kann.
Nutzen Sie die Management-Software nur zur Verwaltung Ihrer Kunstwerke oder auch zur Dokumentation des gesamten kreativen Prozesses? Welche Art von Daten und Informationen speichern Sie dort (z. B. Skizzen, Entwürfe, Ausstellungsdetails)?
Tatsächlich werden auf ArtButler nur abgeschlossene Kunstwerke dokumentiert. Wobei ich für die Showrooms für Kunden auch Ausstellungsansichten hinzufügen, damit man einen besseren Eindruck für Größenverhältnisse bekommt. Skizzen oder Fotos als Inspirationsvorlage sammle ich traditional in verschiedenen Ordnern in meinem eigenen System.
Gibt es spezifische Funktionen im digitalen Verwaltungsmanagement, die Sie als besonders hilfreich oder innovativ für Ihre Arbeit empfinden? Welche Funktionen erleichtern Ihnen den Arbeitsalltag und die Verwaltung Ihrer Kunstwerke am meisten?
Zunächst einfach die Möglichkeit alle Bilder systematisch in einer Übersicht zu haben und sie schnell in PDFs zu exportieren. Aktuell nutze ich auch sehr gerne die AR-Funktion, bei denen die Bilder über das Handy an die Wand projiziert werden können. Bis vor ein paar Jahren habe ich selber noch Simulationen gemacht, jetzt übernimmt das ArtButler.
Nutzen Sie das digitale Verwaltungsmanagement nur zur Archivierung Ihrer Kunstwerke oder auch zur Absicherung im Falle eines Schadens oder Verlusts?
In erster Linie habe ich nur an die Archivierung gedacht, aber mittlerweile spielt die Absicherung eine genauso große Rolle, sowie das Teilen mit Anderen.
Welche Entwicklungen oder Projekte stehen bei Ihnen in der nächsten Zeit an? Können wir uns auf neue spannende Werke oder Kooperationen freuen?
Selbstverständlich ;) Mich interessieren in Japan so viele verschiedene Aspekte, dass ich mich eigentlich verdoppeln müsste, um alles zu verarbeiten. Aktuell habe ich Ikebana für mich entdeckt, die im Gegensatz zu Stillleben Malerei mit opulenten Bouquets aus dem 17 Jahrhundert, extrem minimalistisch und reduziert ist – jedoch nicht weniger komplex. Auch hier gibt es ein ganzes Regelwerk an Positionierungen und Kombinationsmöglichkeiten, die ich äußerst spannend finde. Ich denke damit werde ich eine neue Serie machen, die sich mit Abbildungen von Ikebana Arrangements beschätiigen wird und so einen Bogen spannt zu der überall präsenten Papier Tradition Japan.
Was ist Ihr wichtigster Rat für aufstrebende Künstler, die sich in der Kunstwelt etablieren wollen? Gibt es etwas, das Sie aus Ihrer Erfahrung mitgeben können, besonders im Hinblick auf Organisation und Schutz der eigenen Kunst?
Ich würde mich als junger Künstler in die Kunstgeschichte einarbeiten und schauen, welche Tendenzen es schon in Vergangenheit gab, um missverständliche Wiederholungen zu vermeiden und auf bereits eingeschlagene Wege aufzubauen. Hinsichtlich der künstlerischen Praxis würde ich empfehlen, zunächst Alles auszuprobieren, was einen interessiert, sich so selbst mit Ergebnissen überraschen. Dann später die losen Fäden wieder zusammenziehen und schauen, welche Schnittmengen es gibt, wo sich Interessen wiederholen. Ich arbeite auch gerne mit fiktiven Ausstellungssituationen, bei denen ich für mich Konzepte an digitalen Wänden entwickle und so eine Idee konzeptionell überprüfen kann, ob sie standhält. Zu guter Letzt in Hinsicht auf die Organisation und den Schutz – Arbeiten gut fotografieren, archivieren und lagern.
Mit welchem Künstler oder welcher Künstlerin würden Sie gerne eine Tasse Kaffee trinken und über ihre Kunst sprechen?
Da fallen mir viele ein – aber viel lieber würde ich über deren Kunst sprechen, als nur über meine. Vielleicht mit Vermeer, der 15 Kinder hatte und trotzdem so stille Arbeiten gemalt hat, oder aber mit Johan Thomas Lundby und seinem sentimentalen Verhältnis zur dänischen Landschaft. Gerne wäre ich aber auch bei den Impressionisten und ihrer künstlerischen Antwort auf die Fotografie dabei oder japanischen Künstler der Meiji Ära, wie sie auf die europäische Kunst reagiert haben – also es gibt viele Anlässe für einen guten Kaffee.
Vielen Dank für das Gespräch.