Betty Mü - Die Königin der Lichter
Auftakt der ARTIMA-Reihe #digitalart
In der Malerei werden Farben genutzt, um ein Lichtspiel zu erschaffen. In der Digitalen Kunst nutzt Betty Mü das Licht, um mit Farben zu spielen. Ein Gespräch zwischen Kunstkuratorin Anh Nguyen und Künstlerin Betty Mü.
Von den Münchner Kammerspielen erhielt Betty Mü (*1973 alias Bettina Müller) 2010 den Beinamen „Prinzessin der flackernden Synergien“. Zehn Jahre später hat sich die Künstlerin den Titel als Königin der Lichtspiele zweifelsfrei durch unzählige Projekte und ihre Spezialisierung auf Videoinstallationen wohlverdient erarbeitet.
Mit einer unverwechselbaren Handschrift gelingt es ihr, Erlebnisse, Geschichten und auch tiefsinnige Botschaften diskret und spielerisch in leuchtenden Installationen zu integrieren. Ausgewählte Bildinhalte werden mit konzeptionellem Anspruch auf außergewöhnliche Hintergründe und Materialien projiziert. Mit der komplexen Technik des Video-Mappings lässt sie bewegte Bilder mit Oberflächen und Objekten verschmelzen. Dabei werden alle Besonderheiten der Projektionsfläche millimetergenau vermessen, um Konturen und Flächen danach mit einem maßgeschneiderten Video bespielen zu können.
Für ihr bisher größtes Projekt „Das Kunstareal verbindet“ wurde Betty Mü von einer Fachjury ausgewählt und von der Landeshauptstadt München beauftragt, das Kunstareal zwischen dem Königsplatz und den Pinakotheken vom 4. Dezember 2020 bis zum 14. Februar 2021 mit einer imposanten Lichtaktion zu bespielen.
Über zehn Wochen lang wurden 18 Institutionen und Museen jeden Abend mit Licht und Videoinstallationen beleuchtet. Das Highlight dieses Projektes ist Betty Müs leuchtende Bilderflut „inside out“. Der Video Content besteht aus abstrahierten Exponaten des jeweiligen Museums, um München während des Lockdowns weiterhin mit Kunst zu versorgen.
Sie durchstreifte hierfür die letzten Winkel der Museen, um Video- und Bildmaterial zu sammeln, betrat sogar die Dächer der Gebäude, um die optimale Positionierung der Beamer festzulegen und um das finale Gesamtkonzept zu erarbeiten. Unterstützung erhielt sie vom Kulturreferat und ihrem Team von ‚WeAreVideo‘ sowie den Gastkünstlern Yul Zeser und Helmut Eding.
Erträumt hätte sie sich das nicht, als sie ihr Studium an der Media Design Schule München nach Ihrer abgeschlossenen Ausbildung zur Reprofotografin begann. 1995 verschlug es die junge Münchnerin für weitere Fortbildungen an die New York University und im Anschluss an die School of Visual Arts New York, wo sie verschiedene Kurse belegte. Bis 2001 lebte und arbeitete sie in New Work als Print- und Webdesignerin mit dem Ziel eines Tages in Film- und Animationsproduktionen mitzuwirken. Zeitgleich übte die pulsierende Kunst- und Kulturszene der Weltmetropole eine unbändige Anziehung auf Betty aus und erweckte in ihr den Drang, neben ihrer Affinität zur Technik auch im digitalen Bereich künstlerisch kreativ zu werden.
Schmunzelnd erinnert sich die Künstlerin an ihre allererste Installation und damit ihren ersten Auftritt als Visual Jockey (VJ) auf einer New Yorker Party. Ein Konstrukt bestehend aus einem Kleiderbügel ersetzte als provisorische Hängevorrichtung die Filmrolle. Über den Kleiderbügelsteg wurde ein Super 8-Film gespannt, so dass dieser als Endlos-Loop vom Projektor abgespielt werden konnte. Als Video Content dienten Foto- und Filmsequenzen mit Impressionen, die sie während ihrer Zeit in New York gesammelt hat. Dies sorgte für großes Aufsehen, da VJing zu dieser Zeit in New York ein noch recht junges Phänomen war und daher noch keine besondere Popularität genoss. Als VJ-Hochburg galt damals Deutschland mit seiner Techno-Szene und München war für Betty Mü ganz weit vorne dabei. Der seit den 80ern hier ansässige Techno Club, ‚Harry Klein‘, spielt für die Künstlerin eine entscheidende Vorreiterrolle und sorgte ihrer Ansicht nach als einer der ersten Förderer für die Verbreitung von VJing in Deutschland. Hier hatte auch sie ihren Debütauftritt als VJ in München, nachdem sie von DJ-Freunden angefragt wurde.
Betty Mü wendete sich jedoch bald von diesen vergänglichen Club-Projektionen ab und setzte sich als neues Ziel mit Digitaler Kunst etwas Langlebiges zu schaffen. Mit der Zeit festigte sie ihren künstlerischen Ruf und erlangte eine regelmäßige Auftragslage mit hoher Nachfrage und gut bezahlten Aufträgen vor allem bei Events und Messen.
Daher ist die Künstlerin aktuell ebenfalls von den bundesweiten Maßnahmen zur Eindämmung der Corona-Pandemie betroffen. Gerade am Anfang, als ihr im März 2020 alle Aufträge wegbrachen, erlebte sie eine bedrückende Zeit. Doch durch eine glückliche Fügung kam das Projekt im Kunstareal zustande. Sie fand n der Kunst schnell wieder neuen Halt und nutzte seither die Ruhephase für die Umsetzung persönlicher Herzensprojekte.
Gemeinsames Projekt: ‚VideoArt4Future‘
Betty Mü ist sich sehr wohl bewusst, dass ihre digitale Kunst als Sammelgegenstand für die meisten nur schwer greifbar ist. Daher arbeitet sie nun an einer Serie von Objekten, die Ausschnitte ihrer digitalen Kunst widerspiegeln. Diese sollen in naher Zukunft in einer Ausstellung erstmals präsentiert werden. Für 2021 plant Betty Mü zusammen mit der Kuratorin Ánh Nguyen das Projekt ‚VideoArt4Future‘ - ein Infinity Room mit Botschaften zum Umweltschutz. Gemeinsam wollen die beiden Frauen damit möglichst viele Menschen motivieren, das eigene Konsumverhalten zu überdenken und somit einen aktiven Beitrag zum Erhalt unserer Umwelt zu leisten.
Auf die Frage warum sie letztendlich von New York wieder nach München zurückgekehrt ist, erwiderte Betty Mü, dass sie sich für die Liebe entschieden hat. Ob diese Liebe einer Person oder der Stadt München gilt, ließ sie mit einem Lächeln offen und bemerkte nur, dass München schließlich auch eine Kunst- und Kulturmetropole sei. „Hier hat man noch viele Möglichkeiten sich als Künstler hervorzuheben.“ In der Tat wird uns Betty Mü in Zukunft nicht nur mit ihrem strahlendem Lächeln, sondern auch weiterhin mit ihrer strahlenden Kunst verzaubern.
Das Interview führte Ánh Nguyen
Art Management & Consulting
Dies ist das erste Interview aus der Reihe "digitalart". Weitere Interviews mit Münchner Künstlern folgen.
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