Kunstszene

Der Blick eines Flaneurs auf die Welt

Lars Eidinger

Bekannt ist Lars Eidinger in erster Linie als einer der auffälligsten, deutschen Theater- und Filmschauspieler, dessen Markenzeichen vor allem abgründige und extrovertierte Rollen sind. Aber auch als Musiker und Fotograf hat sich der 1976 geborene Eidinger einen Namen gemacht.

Foto Lars Eidinger, Salzburg, 2021, © Lars Eidinger

So zeigt das K21 in Düsseldorf unter dem Titel „O Mensch“ aktuell die erste monografische Museumsausstellung mit Fotografien und Videos von Lars Eidinger.

Die überwiegende Anzahl der gezeigten Arbeiten sind im Freien entstanden bei Spaziergängen durch die internationalen Städte seiner Gastspiele und Drehorte sowie in seiner Heimatstadt Berlin.

Lars Eidinger. O Mensch, Installationsansicht, Kunstsammlung Nordrhein-Westfalen, 2024.
© Foto: Achim Kukulies

Aufgenommen wurden die Fotos zumeist mit dem Smartphone, seltener mit einer Spiegelreflexkamera, und anfangs auf seinem Instagram Kanal veröffentlicht, den Eidinger Anfang 2022 jedoch von einem auf den anderen Tag aus Kritik an den sozialen Medien wieder gelöscht hat.

Die Themen der Fotografien sind nicht die bekannten Plätze und Sehenswürdigkeiten der Städte, sondern vermeintlich nebensächliche Orte und vorgefundene Situationen. Gewissermaßen zufällige Fundstücke, an denen man oft achtlos vorübergeht oder sie in der Hektik des Alltags übersieht.

Lars Eidinger, Peking, 2013, © Lars Eidinger

Eidinger fokussiert die Wahrnehmung auf unscheinbare Details und rückt sie bildfüllend in das Zentrum seiner Fotografie. Die Fotos zeigen schmerzhafte Bausünden, sinnlose Stadtmöblierungen, aberwitzige Markierungen und Absperrungen, unverständliche Wegführungen, Bäume zu geometrischen Figuren geschnitten oder Wurzeln, die den Asphalt aufbrechen. Es sind Orte, wie sie in jeder Stadt hundertfach vorkommen und an denen Lebensraum gedankenlos verbaut und reduziert ist. Orte, an denen Mensch und Natur ihren Platz neu suchen müssen. Der Betrachter spürt in jedem Bild die Freude des Fotografen am Aufspüren von städtischen Skurrilitäten.

Dennoch handelt es sich um Bilder, die bei aller Irrationalität zugleich humorvoll sind und dem Betrachter ein Schmunzeln abverlangen.

Lars Eidinger, Brig, 2021, © Lars Eidinger

Mit Abstand und Empathie blickt Eidinger auch auf die Bewohner der Städte. Auf vielen Fotografien sind einzelne Personen in Rückenansicht oder im Halbprofil zu sehen. Es sind keine inszenierten Aufnahmen, sondern schnell festgehaltene Momentaufnahmen, die die Menschen in ihrem Alltag oder bei der Ausübung einer Tätigkeit zeigen.

 

Lars Eidinger, Salzburg, 2021, © Lars Eidinger

Viele dieser Tätigkeiten erscheinen ungewöhnlich: der menschliche Werbeträger auf einer Verkehrsinsel, der Vermummte, der Reißzwecke aus einem Baumstamm zieht oder Sportler, die ihre Dehnübungen auf einer Grabplatte machen. Letztlich erhält man so einem Einblick in die Vielfalt des städtischen Lebens, zu dem - neben allen Widersprüchen - natürlich auch Armut und Obdachlosigkeit gehören.

Formal bestechen die Fotografien durch einen engen Bildausschnitt, der den Blick auf das Wesentliche lenkt. Ansonsten verzichtet Eidinger auf jegliche phototechnischen Korrekturen - Stürzende Linien bleiben stürzende Linien und alle weiteren Einstellungen gibt das digitale Smartphone vor. Erzeugt wird so ein objektiver, sachlicher Blick auf die Wirklichkeit, der die Bildinhalte für sich sprechen lässt.

 

Lars Eidinger. O Mensch, Installationsansicht, Kunstsammlung Nordrhein-Westfalen, 2024. © Foto: Achim Kukulies

Die Ausstellung „O Mensch“ im K21 zeigt etwa 100 Fotografien, 12 Videos und einen frühen Super8-Film von Lars Eidinger. Die ausgestellten Arbeiten werden ergänzt durch eine Auswahl von Haiku der in Berlin lebenden japanischen Dichterin Yoko Tawada (*1960). Sie hat für Eidingers Foto-Publikation „O Mensch“ (2023, Berlin, Hatje Cantz Verlag) zu etwa 90 Fotos Haiku in deutscher Sprache verfasst.

 

Die Ausstellung „Lars Eidinger - O Mensch“ ist bis zum 26.01.2025 zu sehen im K21, Kunstsammlung Nordrhein-Westfalen, Ständehausstr. 1 in 40217 Düsseldorf.

Eure Ariane


 

 

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