Klare Sache
Ein Interview mit den beiden Geschäftsführerinnen der Hofglasmalerei van Treeck
Glas in all seinen Facetten ist das Hauptarbeitsmaterial für die Hofglasmalerei Gustav van Treeck. ARTIMA sprach mit den beiden Geschäftsführerinnen Katja Zukic und Raphaela Knein.
Glas: Ein künstlich erzeugtes Material, das im Germanischen als „glasa“ die positive Bedeutung von „das Glänzende, Schimmernde“ trägt. Durch seine Lichtdurchlässigkeit wirkt es aber auch rein und zerbrechlich – was es per se aber gar nicht ist. Glas in all seinen Facetten ist das Hauptarbeitsmaterial für die Bayerische Hofglasmalerei Gustav van Treeck. Den heute in der Münchener Schwindstraße bestehenden Betrieb gründete Gustav van Treeck senior im Jahr 1887.
Seit 2015 liegt die Gustav van Treeck GmbH in weiblicher Hand: Die Glasmalermeisterin Raphaela Knein und die Journalistin und Grafikdesignerin Katja Zukić leiten das Traditionsunternehmen als geschäftsführende Gesellschafterinnen. Die Hofglasmalerei ist eine der ersten Adressen für Glasmalerei, Glas- und Fenstergestaltung sowie Mosaik. Ein weiterer Schwerpunkt liegt in der Restaurierung und Denkmalpflege von Glaskunst. ARTIMA-Underwriterin Annette Niessen sprach mit den beiden Frauen über aktuelle Projekte, die Zusammenarbeit mit Künstlern und Architekten und neue Ideen.
Wie kommen zwei junge Frauen wie Sie, Frau Zukić und Frau Knein dazu, ein Münchner Traditionsunternehmen zu führen?
Katja Zukić (KaZ): Wir kommen aus unterschiedlichen Richtungen aber landeten zur fast gleichen Zeit im Unternehmen. Ich komme aus dem Journalismus und dem Design und wurde 2010 unter der damaligen Geschäftsführung für den Bereich Unternehmenskommunikation und Administration eingestellt.
Raphaela Knein (RK): Ich kam 2010 als Glasmalergesellin in die Werkstatt, habe also zunächst in der Werkstatt mitgearbeitet und dann nach und nach größere Verantwortung übernommen bis ich die Werkstattleitung übernahm. Seit dem Wechsel der Geschäftsführung 2015 leiten Katja Zukic und ich das Unternehmen zusammen.
KaZ: Unsere Bereiche sollten die Zukunft des Unternehmens sichern. Ich decke heute die Bereich Strategie, künstlerische Leitung und Kommunikation ab, Frau Knein den produktiven, handwerklichen und kaufmännischen Bereich.
Sie haben sich speziell der Glasmalerei und Mosaik verschrieben. Können Sie uns ein aktuelles Projekt vorstellen?
RK: Wir haben derzeit ein spannendes, zeitgenössisches Projekt in der Heilig Kreuz Kirche in München am Giesinger Berg mit dem Künstler Christoph Brech: Über 1000 Lungenmotive werden in dem Altarraum platziert. Es ist eine Kombination von neuerer Technik mit Siebdrucken und mundgeblasenem Glas.
Kaz: Der Künstler Christoph Brech kommt aus der Video- und Fotokunst. Wir haben bereits in 2015 mit ihm an einem Mosaikprojekt zusammengearbeitet. Damals bestand das Projekt darin, Stills aus einem seiner Videos als Mosaik wiederzugeben, was ja eine spannende, zeitgenössische Idee ist. Das jetzige Projekt in der Heilig Kreuz Kirche ist sein erstes Projekt mit transluzentem Material.
Wie sieht die Zusammenarbeit mit den Künstlern aus und wie setzen Sie deren Ideen um?
KaZ: Wenn Kunstwerke entstehen, stehen wir mit vielseitigen Möglichkeiten der Beratung, Projektierung und Umsetzung zur Seite. Wir haben ein junges Team aus motivierten, experimentierfreudigen Kunstglasern, Glasmalern, Mosaizisten, Designern und Restauratoren, die sich um die handwerkliche Umsetzung der künstlerischen Ideen und Konzepte kümmern. Mithilfe moderner Bildbearbeitungstechniken simulieren wir Räume mit angewandter Kunst aus Glas. Für die Umsetzung der Entwürfe erstellen wir Großausdrucke, die als Mal-, Mosaiklege- und Zuschnittsvorlagen dienen.
Wenn wir mit Künstlern, Designern und Architekten zusammenarbeiten, die noch keine Erfahrung mit der Verarbeitung von Glas haben, lassen wir sie auch einmal mit den unterschiedlichen Grundformen von Glas experimentieren und stehen mit unserem Know-How begleitend zur Seite. Ob es nun um verschiedene Bearbeitungstechniken geht oder um die Kombination und Entfremdung verschiedener Materialien. Ein Beispiel ist das Projekt „Power of Glass“.
Mit welchen neuen Techniken arbeiten Sie heute?
RK: Wir arbeiten zum Beispiel mit Airbrush, Fusing und verformen sehr viel: Beim Airbrush erfolgt der Auftrag der Glasmalfarbe durch Druckluft mit einer Spritzpistole, so lassen sich sehr feine Verläufe herausarbeiten und fotorealistische Ergebnisse erzielen.
Beim Fusing wird das Glas auf hohe Temperaturen erhitzt, verformt, verschmolzen oder strukturiert.
Manchmal sind es auch Kombinationen aus alten und neuen Techniken. Gerade alte Techniken wie das Ätzen zum Beispiel, hat man wieder für sich entdeckt und neu eingesetzt: Im Ätzbecken werden die farbigen Glasschichten mit Flusssäure abgetragen, sodass die gewünschten Strukturen und Farbschattierungen entstehen. Wir arbeiten dabei mit dem höchsten Sicherheitsstandard. Das beleuchtete Ätzbecken ist in einem separaten Raum mit Abluftanlage untergebracht. Wir achten dabei auf den Schutz der Mitarbeiter, wie auf den der Umwelt.
Welche Maximalgröße an Objekten können Sie erstellen?
In unseren Werkstätten können wir Scheiben bis zu 3,05 x 1,55 Meter, Größe verarbeiten, mit einem Partner können es bis zu 3 x5 Meter große Scheiben sein. Dies ist aber natürlich von Projekt zu Projekt unterschiedlich und eine Frage und Entscheidung des künstlerischen Konzepts.
Wie arbeiten heute junge Künstler mit dem Medium Glas?
KaZ: Wir möchten junge Künstler für das Medium gewinnen und begeistern und laden sie ein, den Werkstoff Glas für sich zu entdecken. Sie müssen davon hören und es erleben. Die Künstler sind bereit, die technischen Vorschläge mitzugehen und sich dem Werkstoff zu stellen. Ein gutes Beispiel ist Christoph Brech (ein abgeschlossenes Projektbeispiel siehe Foto oben), er hatte ursprünglich nicht mit Glas gearbeitet. Jetzt arbeitet er nach und nach häufiger mit diesem Material und wird auch hierzu angefragt. Leider ist es aber auch eine Kostenfrage. Mit Glas zu arbeiten ist sehr viel teurer ist als mit Leinwand und Farbe.
Wird Glas mit anderen Werkstoffen verbunden, ist dies möglich?
RK: Ein Verschmelzen von Glas mit anderen Materialien ist schwierig. Die Verbindung von Beton mit Glas ist seit den 50er/60er Jahren als Dallverglasung bekannt und sollte auch wiederkommen. Dabei werden Stücke von Dickglas in Beton gegossen. Das Verschmelzen verschiedener Materialien wie Metall mit Glas ist schwierig, da die Materialien unterschiedliche Ausdehnungskoeffizienten haben. Sie zerreißen sich gegenseitig.
Gold oder Silber mit Glas versschmelzen und verformen – das ist gut möglich?
RK: In diesem Bereich sind wir viel am Experimentieren. Wir versuchen die verschiedenen Techniken zu kombinieren, neue Oberflächenstrukturen zu gewinnen.
Durch die Erfahrungswerte der unterschiedlichen bisherigen Projekte können wir mehr ausprobieren. Wir haben unsere sogenannten „Musterphasen“, in denen wir und unsere Mitarbeiter ausprobieren, gegenseitig Impulse geben wird und auch Erfahrungen austauschen.
KaZ: Wir haben Kollegen, die chemisch sehr versiert sind. Es handelt sich ja jeweils immer um chemische Prozesse, wir experimentieren sehr gerne. Natürlich können wir das uralte Medium Glas nicht völlig neu erfinden aber wir können neue Material-Kombinationen kreieren. Wichtig ist, dass man den Künstlern ein Gefühl dafür gibt, was möglich ist, inwieweit sie experimentierfreudig bleiben können und wo Grenzen mit diesem Medium gesetzt sind.
Arbeiten Sie auch mit Architekten eng zusammen und haben Sie spezielle Angebote für diese?
KaZ: Ja, das tun wir. Im Restaurierungsbereich arbeiten wir sehr eng mit den Architekten zusammen, die die Projekte leiten und uns Aufgaben in Form von Leistungsverzeichnissen vorgeben. Eigentlich ist immer ein Architekt dabei, denn es geht ja auch immer um Bau und Statik. Daher sollten uns noch viel mehr –möglichst alle – Architekten kennen (lacht). Und vielleicht sollten sie auch (wieder) mehr in Glas denken, speziell auch in buntem Glas, mehr als es in den letzten 20 Jahren Thema war. Es wäre schön, wenn Architekten die verschiedenen Möglichkeiten, die Leuchtkraft und die Farbintensität von Glas wiederentdecken würden – gerade im öffentlichen Raum. Und dann mit uns zusammenarbeiten.
Wir haben übrigens seit November 2018 strategisch noch ein weiteres, neues Standbein namens „ArtaGlass“. Dieses Produkt haben wir für Architekten und Interieur Designer entwickelt und bieten es in sechs Kollektionen an. Es geht hierbei um Gläser, die mit verschiedenen Techniken handveredelt werden: Veredelungen mit Stoff, Verspiegelungen, Mikro-Sandstrahlungen, Schmelzarbeiten, digitale Drucke und Glasmalereien. Die Gläser bieten wir in sehr großen Formaten (3mx5m) und als Sicherheitsglas an, das im öffentlichen Bereich genutzt werden kann, zum Beispiel für Hotelausstattungen. Preislich ist diese Produktlinie sehr attraktiv, da die Gläser standardisiert hergestellt werden können. Im Gegensatz dazu sind die Projekte, die künstlerischen Positionen folgen, sehr viel aufwändiger, oft mit mundgeblasenem Glas gestaltet und müssen meistens erst neue entwickelt werden. Kunstwerke eben. Mit ArtaGlass wollen wir ganz speziell Architekten, Innenarchitekten und Raumgestalter ansprechen, die das Material für Ihre Konzepte konkurrenzfähig einsetzen sollen.
Sie sagten, Sie müssen Architekten wieder mehr auf den Werkstoff Glas stoßen. Greifen diese denn eher bereits Mosaiken auf?
RK: Mosaiken werden wieder von den Architekten aufgegriffen und mehr und mehr entdeckt. Mosaiken sind farbig und demnach auch wieder eine Frage des Zeitgeistes. Mosaiken sind so vielseitig einsetzbar im Innen- und Außenbereich, auf Wänden, Böden, Wegen. Man kann verschiedene Materialien verarbeiten, wie durchgefärbtes Glas, als auch Natursteine oder Werkstoffe wie Keramik, Feinsteinzeug. Es ist auch eine Kombination aus den Werkstoffen möglich oder man kann unterschiedliche Ausdrucksformen nutzen, d.h. entweder man bringt das Handwerkliche optisch sehr stark heraus oder arbeitet sehr präzise, fast „industriell“ sage ich jetzt mal.
Die Konservierung und Restaurierung kunsthistorischer Meisterwerke aus Glas oder Mosaik ist ein weiterer Schwerpunkt der Werkstätten Gustav van Treeck. Können Sie hier von einem Projekt aus Ihrem Haus berichten?
RK:Ein Restaurierungsauftrag, das wir vor einigen Jahren fertiggestellt haben, sind Fenster-Speicherfunde aus der Heilig-Geist-Spitalkirche bei Passau aus dem 19. Jahrhundert: Wir restaurierten und rekonstruierten auch ganze Teile davon. Manche Felder sind komplett verschollen gewesen aber anhand der Erfahrungswerte, für die Bereiche, die die Architektur betreffen, konnten wir die Rekonstruktion daraus ableiten.
Und es gab noch Dokumentationsunterlagen, bei denen Fotos gefunden wurden, manchmal ganz klassisch, das Foto von einer Kinderkommunion. Es ist immer ganz spannend, wenn man wie in diesem Fall, Kisten voller Scherben hat. Bei diesem Projekt haben wir ein Jahr lang gepuzzelt, bis die Teile zusammengesetzt waren.
Was war einer der heikelsten oder aufwendigsten Arbeiten?
RK: Die Restauration der Heilig-Geist-Spitalkirchenfenster gehört da auf jeden Fall dazu. Außerdem haben wir letztes Jahr zum Beispiel für das Schloss Neuschwanstein die Glasmalereien restauriert. Es war zwar nicht ganz so aufwendig aber für die Kollegen ein Prestigeobjekt und ein tolles Erlebnis, bei diesem Bauwerk arbeiten zu dürfen. Des Weiteren haben wir auch den Maurischen Kiosk in Schloss Linderhof restauriert. Es sind auf jeden Fall immer besondere Aufträge und besondere Orte, an die man kommt.
Ein großes Projekt war und ist noch die komplette Rekonstruktion der Glasfenster der Evangelischen Christuskirche, die in Qingdao im 19. Jahrhundert entstanden ist.
Wir haben den Auftrag zur Wiederherstellung der Fenster, weil sie in der Kulturrevolution verloren gingen. Vier Fenster haben wir bereits fertiggestellt, weitere vier haben wir jetzt entworfen und es gibt noch mehrere kleine. Sehr spannend ist die Arbeit vor Ort, Gerüste aus Bambus kennt man hier noch nicht, sind dort aber gängig.
KaZ: Und noch ein Projekt wollten wir ansprechen, die LMU in München hat letztes Jahr ein neues Fenster von uns bekommen. Dieses Fenster wurde im 2. Weltkrieg zerstört. Frau van Treeck, die Ehefrau des Gründerenkels, ist Kunsthistorikerin und hat sich auf die Glasmalereien dieser Zeit spezialisiert. Sie hat lange geforscht, weil die Gestaltung des Fensters nur noch in Anhaltspunkten existierte. Auf Basis der Ergebnisse konnten wir das Fenster schließlich rekonstruieren.
Sie stehen nicht nur für Restaurierung von Altem, sondern auch für Innovation. Es geht massiv in die Zukunft in Ihrer Designabteilung: In 2015 starteten Sie eine neue Produktlinie, die „edition van Treeck“, die Sie, Frau Zukić, ins Leben gerufen haben?
KaZ: Richtig, ich habe sie unter anderem initiiert, weil der Markt schwierig ist, nicht mehr so viel hergibt wie noch im vergangenen Jahrhundert und daher auch wild umkämpft ist. Bei meiner Liebe zum Design lag es nahe, eine neue Produktlinie in diesem Bereich aufzubauen, basierend auch auf guten Kontakten zu renommierten Designern.
Unter dem Namen „edition van Treeck“ stellen wir funktionale Designobjekte aus veredeltem Glas her. Die Unikate, Kleinauflagen oder Serien sind hochwertige Gebrauchskunst und Sammlerstücke. Wir haben seit 2015 die ersten Objdekte im Angebot, waren jetzt auf der Designmesse Maison&Objet in Paris und haben uns dort erstmals mit unseren Produkten international präsentiert. Wir haben dort öffentlich sehr gute Resonanzen bekommen und bauen darauf nun auf. Mit Designern zu arbeiten ist neu und anders, es differenziert uns stark von den Mitbewerbern.
Haben die Designer, mit denen Sie zusammenarbeiten, bereits Erfahrungen in der Arbeit mit Glas?
KaZ: Teils teils, es gibt auch Designer, die mit Glas davor noch gar nicht so viel zu tun hatten und schon gar nicht mit der Flachglasbearbeitung. Sehr versiert im Umgang mit Glas dagegen ist Sebastian Herkner.
Bei der Auswahl der Designer achte ich darauf, dass sie eine große Affinität zum Handwerk haben. Dann ist aber auch der eine oder andere Designer mit internationaler Bekanntheit wichtig. Und, dass es menschlich gut funktioniert ist meines Erachtens Voraussetzung für die Entstehung guter Produkte.
Die Arbeit mit den Designern ist unter anderem so spannend, da diese anders an das Material Glas herangehen und so viel herauskitzeln, manchmal viel mehr, als die Künstler. Sie stellen das Material noch viel mehr ins Zentrum ihrer Arbeit und sie inspirieren so auch die Arbeit von Künstlern. Hier entsteht eine wunderbare Symbiose.
Foto: edition van Treeck- Pastille by Sebastian Herkner
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Weitere Projekte der Hofglasmalerei
Alle Fotos wurden mit freundlicher Genehmigung der Bayerischen Hofglasmalerei Gustav van Treeck GmbH veröffentlicht
1. Bunny Rogers_columbine_cafeteria.jpg
2. Brian Clarke_Sommersolstice2017.jpg
3. Düren Rathausfassade.jpg
4. edition van Treeck_Impressionist by david_nicolas_Fused glass_coated steel_brass.jpg
5. edition van Treeck_Tile_Ayzit Bostan.jpg
6. Glas in Beton.jpg
7. Heidi Bayer-Wech_Realschule Brannenburg.jpg
8. Neues Museum Berlin Mosaikrekonstruktion.jpg
9. Mosaikgärten München_Il Ponte.jpg
10. Plankenfels_Neuhaus_Mosaik_Der Auferstandene.jpg
11. Rummelsberg Büdel.jpg
12. Qingdao_China Christuskirche_Bemalung.jpg